«Menschen kaufen Kleider um glücklich zu sein» Karl Lagerfeld

Frühjahr 2023. Der nächste Winter scheint noch fern.

Wir verabreden uns im kleinen Büro des „Mono-Headquarters“ auf eine Tasse Kaffee und einem produktiven Gespräch. Im Zentrum unserer Diskussion steht die bevorstehende Pre-Order-Saison. Während die Kaffeemaschine ihre Arbeit vollbringt, entfaltet sich eine lebhafte Debatte über die Preisentwicklung der norditalienischen Wolle. Dann schwenkt die Diskussion auf die aufwendigen Programmierung des letztjährigen Kapuzenpullovers bis sich schließlich unsere Aufmerksamkeit auf die wertvollen Erkenntnisse der Mono Co-Design Umfragen fokussieren.

Wer hätte es gedacht – Unsere Co-Design Umfrage von letztem Winter brachte Verblüffendes zutage. Ein beachtlicher Anteil der Befragten zeigt keinerlei Vorliebe für buntfantastisches Strickwerk oder den klassischen Polokragen. Selbst ungefärbte Wolle findet nur wenig Anklang, und die Idee, den Winter im angesagten Fluo-Blond zu verbringen, wird eher skeptisch betrachtet. Der Top-Favorit unter den Teilnehmern ist ein mittelschwerer, glattgestrickter Rundhalspullover. Erstaunlicherweise bevorzugen beachtliche 87,9% der Co-Designerinnen und 80% der Co-Designer den uni-farbigen Pullover. Eine bemerkenswerte Ausnahme bilden hierbei die Streifenmuster. Daher steht fest: Wir starten die Pre-Order-Saison mit einem gestreiften Pullover.

Nach 15 Minuten Kaffeepause bricht Bewegung im kleinen Sitzungsraum auf. Die Tassen wandern in die Spüle und am saubergemachten Tisch wird eine Verkaufsliste mit allen Artikel der vergangenen Pre-Order-Saison gereicht. Zeitgleich breiten wir alle Modelle aus. Die Blicke schweifen über die Pullover und Farben: Die Kollektion vom 2022 umfasste eine Handvoll New-Basic Modelle, meist im unisex-Style. Das sind Pullover, die sich durch zeitlose Schlichtheit und modernen Zeitgeist kennzeichnen.

Während im Sitzungszimmer über die gesammelten Feedbacks aus der Co-Design Umfrage diskutiert wird, informiert die Strick-Designerin über aktuelle Trends. Ein paar Stichworte, ein paar Skizzen. Dann folgt die Analyse: Welche Artikeln kamen im letzten Jahr gut an? Wie schneiden Strickpullover aus Merinowolle bei der Umfrage ab? Mangelte es an Strickjacken? Was ist mit Baumwolle? Wie kam das vulnerable Lilac an? In einem Schwung werden alle Modelle aussortiert, die zu wenig vorbestellt worden waren. Langsam wird der Umfang der neuen Saison sichtbar.

Nach einem Tag Arbeit und einem Sandwich steht fest: Wir werden 5 neue Modelle ins Pre-Order aufnehmen. Nebst variantenreichen Pullover aus verschieden groben Garnen und Materialien, eine Strickjacke für Frauen und eine für Männer, wird ein wahrlich aufregendes Modell der Preorder-Kollektion einen winterlichen Anstrich verpassen: Der Pullover „Gavin at phone“, inspiriert und beflügelt von Elizabeth Peytons gleichnamigen Bild.

Draussen wird es langsam Nacht und das gelbe Licht der Strassenlampen zeichnet die Welt am Matthäusplatz weich – Feierabend.

Der 1/4-Inch-Strips: Form und Schnitt

Einige Tage nach unserem Treffen im Mono-Headquarter beginnen wir mit den Recherchen zum Ringelpullover: Gearbeitet wird an einem Pullover für die Zwischensaison mit Streifen. Einer, der das Gefühl von Leichtigkeit verleiht, dabei supersoft im Griff ist und aus 100% natürlichem Material gestrickt wird. Einen maximal bequemen Pullover, einfach aber gefällig, der mit multiplen Looks gut Freund wird. Der Ringel klassisch, aber doch etwas anders – mit Stil halt.

Auf dem Arbeitstisch liegen Bücher und Bilder, einen Stapel Skizzenpapier und der Farbmuster Match Ordner von Pantone. Daneben eine Biografie von Bridget Riley, Trendberichte und die Auswertung der Co-Design-Umfrage. – und ein Strandbild mit Matrose im Ringelshirt.

Der 1/4-Inch-Strips: Entwurf

«Menschen kaufen Kleider um glücklich zu sein» Karl Lagerfeld

Der Streifenpullover oder Marinière hat Geschichte in der Mode. Die ersten Abbildungen von Fischern in gestreiften Shirts finden sich bereits auf Gemälden des 17. Jahrhundert. Um die Bedeutung und den Ursprung des Streifendesigns ranken sich verschie­dene Legenden. Eine dieser Geschich­ten verortet den Ursprung der ursprünglich 21 Streifen den 21 Siegen zu, welche Napoleon gegen die Briten errungen hatte. Andere Quellen sehen die Streifen als Symbol für die Wellen des Meeres und führen das Design auf den Aberglauben der Fischer zurück, mit diesem Talisman am Leib vor dem Ertrinken geschützt zu sein, sollten sie auf hoher See einmal über Bord gehen.

Die Mode­schöp­ferin Gabrielle „Coco“ Chanel sah 1913 am Strand des damals angesagten Badeorts Deauville in der Normandie Fischer die gestreiften Shirts tragen. Von der lockeren Eleganz und der Bequemlichkeit der gestreiften Jersey-Shirts war Chanel so angetan, dass sie selber ebenfalls begann, solche (Herren-)Shirts zu tragen. Und weil sie Coco Chanel, die stilprä­gende Visionärin ihrer Zeit war, schaffte es das gestreifte Shirt innert kurzer Zeit von den Fischerbooten in die Gardero­ben der gehobenen Pariser Gesell­schaft – so begann der Kult um Streifen. In einer Zeit, in der sich manche Frauen noch in steife Korsetts zwängten, war das tragen solcher legeren Männerklei­dung ziemlich revolutionär.

Streifen haben sich zu einem ikonischen Merkmal von grossen Schauspielerinnen und stilbewussten ModedesignerInnen entwickelt. Sie wurden Markenzeichen von hochkarätigen Künstlerinnen, von mutigen VorreiterInnen und ihren Anhängern. Coco Chanel interpretierte als erste die Streifen eines bretonischen Fischer Pullovers im mediterranen Stil. Aber Pablo Picasso verlieh dem Streifenlook den Status einer Legende und an Kurt Cobain machten die Streifen den Krach eines Protest-Shirts. Doch die Bedeutung der Streifen reicht weit über die Summe aller namhaften Trägerinnen und vergangenen Modewellen hinaus:

Sie waren eines der ersten Muster, das sich in Zeiten strikter Geschlechtertrennung über die strengen Grenzen hinwegsetzte und von Frauen und Männern gleichermassen getragen wurde. In diesem Sinne sind Streifenmuster aktueller den je.

Die Umsetzung des Streifenmusters im Mono-Modell programmierte Rumen Korchev. Das Muster wird rechts/links plattiert gestrickt. Was soviel heisst wie, dass die Streifen der Vorderseite jeweils in der Kontrastfarbe auf der Rückseite zu sehen sind und dabei leicht durchschimmern.

Halleluja, am 28. März steht der Entwurf fest: Ein Strickpullover mit viel Freiheit und Streifen-Variationen aus 100% Merino, im Zeitgeist der Saison 2023 – ein winterlicher Konsens und saloppe Kreuzung aus Ferien und Alltag.